Link-Disclaimer

Link-Disclaimer – Legenden des Internets und relativ sinnlos

Auf vielen Internetseiten liest man so genannten Link-Disclaimer. Diese haben dann beispielsweise folgenden Wortlaut:

“Mit Urteil vom 12.Mai 1998 hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass man durch die Ausbringung eines Links die Inhalte der gelinkten Seiten gegebenenfalls mit zu verantworten hat. Dies kann nur dadurch verhindert werden, dass man sich ausdrücklich von diesem Inhalt distanziert. Für alle Links auf dieser Homepage gilt: Ich distanziere mich hiermit ausdrücklich von allen Inhalten aller gelinkten Seiten auf meiner Homepage und mache diese Inhalte nicht zu eigen.”

Es ist wohl heute nicht mehr herauszufinden, wer das Märchen des Link-Disclaimers in die Welt gesetzt hat. Es hat jedenfalls ein reges Echo gefunden (in der Suchmaschine Google, werden bei entsprechenden Suchbegriffen allein 17.600 Seiten angegeben).

Zum einen ist es mit einem Disclaimer im deutschen Recht gar nicht möglich das herrschendes Recht außer Kraft zu setzen. Zum anderen ist der Inhalt des Urteils des LG Hamburg entweder missverstanden worden, auf jeden Fall jedoch falsch.

Im Gegenteil, das Landgericht Hamburg hat genau etwas anderes festgestellt, als in den Disclaimern immer behauptet wird.

Das Urteil vom 12.05.1998, Aktenzeichen 312 O 85/98 (www.braunschweig.ihk.de/lire.htm), hatte eine ehrverletzende Berichterstattung über den Kläger zum Inhalt. Der Beklagte hatte durch Aufnahme einer Haftungsfreizeichnungsklausel dargestellt, dass er keinerlei Verantwortung übernehme. Im übrigen berief er sich auf das Recht auf freien Meinungsäußerung.

Die Entscheidungsgründe des Urteils, hier ein Auszug, ist auch für den juristischen Laien verständlich, und spricht für sich:

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet aus § 823 I, II BGB i.V.m. §§ 186 StGB, 824 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie der Ehre des Klägers.

Der Beklagte hat dadurch, dass er einen sog. Link auf die Webpage – Anlage JS 2 – in seiner Homepage aufgenommen hat, die auf der Anlage JS 2 befindlichen ehrverletzenden sowie beleidigenden Tatsachenbehauptungen als auch Meinungsäußerungen zu seinen eigenen gemacht.

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts wie auch wohl des Beklagten, denn er hat die Unterlassungserklärung abgegeben, überschreitet der Text der Anlage JS 2 an mehreren Stellen die von Art. 5 GG geschützte Meinungsfreiheit, in dem die durch Güterabwägung zu ermittelnde Grenze zum Ehr- und Persönlichkeitsrechtsschutz nicht eingehalten ist. Angesichts der von dem Beklagten abgegebenen Unterlassungserklärung erübrigt sich eine detaillierte Darlegung der Beleidigungen im einzelnen. Hinsichtlich des klagweise weiterverfolgten Schadensersatzanspruchs ist auszuführen, dass entgegen der Auffassung der Beklagten die Aufnahme des Links weder von der “Haftungsfreizeichnungsklausel” – so sie denn am 17.02.1998 überhaupt aufgenommen gewesen ist – noch von dem ohnehin erst im nachhinein erstellten sog. “Markt der Meinungen” gerechtfertigt wird.

Wie in der Entscheidung des BGH vom 30.01.1996, NJW 96, 1131 ff. ausgeführt, kann das Verbreiten einer von einem Dritten über einen anderen aufgestellten herabsetzenden Tatsachenbehauptung dann eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen, wenn derjenige, der die Behauptung wiedergibt, sich nicht ausreichend von ihr distanziert. Eine solche ausreichende Distanzierung hat der Beklagte jedenfalls nicht dadurch vorgenommen, dass er auf die eigene Verantwortung des jeweiligen Autors verweist. Dies ist keine Distanzierung, sondern vielmehr eine nicht verantwortete Weitergabe und damit eine eigene Verbreitung.

Auch von einem nach Meinung des Beklagten dank seiner Recherchen über den Kläger aufgestellten Zusammenschau von über den Kläger erfolgten Publikationen im Sinne der zitierten BGH-Entscheidung vorliegenden Markt der Meinungen, der etwa die Aufnahme des Links legitimieren könnte, kann nicht die Rede sein. Es geht dem Beklagten nicht darum, wie aber in der zitierten Entscheidung des BGH der Fall, ein Kaleidoskop von Behauptungen in einer die Öffentlichkeit berührenden Angelegenheit möglichst umfassend in alle möglichen Richtungen vertiefend wiederzugeben, um der Wahrheitsfindung nachzuhelfen. Der Beklagte hat vielmehr hier eine Zusammenschau ehrverletzender Artikel über den Kläger erstellt. Die auf der Webpage Anlage JS 2 enthaltenen ehrverletzenden Behauptungen sind darüber hinaus so schwerwiegend und nachhaltig, dass der Beklagte vom Grunde her nicht allein zur Abdeckung des materiellen, sondern auch des immateriellen Schadens verpflichtet ist.

Zentral ist die Aussage in den Entscheidungsgründen, dass entgegen der Auffassung des Beklagten die Links weder von einer “Haftungsfreizeichnungsklausel” noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Zwar kann das Verbreiten einer beleidigenden Tatsachenbehauptung dann eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen, wenn derjenige, der die Behauptung wiedergibt, sich nicht ausreichend von ihr distanziert. Indem auf die eigene Verantwortung des jeweils gelinkten Autors verwiesen wird, ist eine solche Distanzierung jedenfalls nicht möglich.

Jedenfalls ist im Urteil mit keinem Wort erwähnt, dass ein Disclaimer oder eine Distanzierung für eine Freizeichnung von der Haftung ausreichend ist.

Nach unserer Auffassung richtet sich daher die Haftung für Links nach den allgemeinen Regeln des TDG und kann nicht durch Disclaimer ausgeschlossen werden. Derartige Disclaimer sind daher nach unserer Auffassung vollkommen überflüssig. Günstig kann es jedoch sein, deutlich zu machen, dass ein gelinkter Inhalt ein Fremdinhalt ist, falls dieser beispielsweise geframed wird.

Beachten Sie bitte auch die aktuelle Auffassung des Landgerichtes Potsdam.

 

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard

 

https://ssl-vg03.met.vgwort.de/na/b2a89a764d134937989549d3be67910f