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Keine Markenrechtsverletzung wenn bei Amazon eine Marke später in die Produktbeschreibung eingefügt wird und andere Händler, die die Artikelbeschreibung nutzen, nicht informiert werden (OLG Frankfurt)

Das Problem der Möglichkeit der Änderung von Artikelbeschreibungen bei Amazon ist um eine Facette reicher. Nachdem unter anderem das Landgericht Frankfurt entschieden hatte, dass die nachträgliche Abänderung einer Artikelbeschreibung bei Amazon wettbewerbswidrig sein kann, wenn eine Marke hinzugefügt wird, hat das OLG Frankfurt (Urteil vom 27.10.2011, Aktenzeichen 6 U 179/10) sich mit der Frage befasst, ob ein Markeninhaber markenrechtliche Unterlassungsansprüche geltend machen kann, wenn dieser eine No-Name-Artikelbeschreibung zu einem Markenprodukt macht.

Der Markeninhaber hatte seit Oktober 2007 bei Amazon eine Brille angeboten, ohne dass dort eine Marke genannt worden war. Dieses Angebot nutzten -wie bei Amazon üblich- auch andere gewerbliche Verkäufer. Nachdem dies 18 Monate auch problemlos funktionierte, fügte der Markeninhaber eine Markenbezeichnung hinzu und mahnte den Händler ab, der bisher unter dieser ASIN bei Amazon das Produkt angeboten hatte.

Keine Markenrechtsverletzung, da Rechtsmissbrauch

Dieses Verhalten hielt das OLG Frankfurt für rechtsmissbräuchlich. Die Aussage des OLG Frankfurt hierzu ist eindeutig:

Dieser Einwand ist auch im Markenrecht zulässig, und zwar sowohl dann, wenn eine markenrechtsmissbräuchliche Absicht angemeldet wird, als auch dann, wenn in missbräuchlicher Weise Ansprüche aus einem zunächst mangelfrei erworbenen Kennzeichnungsrecht erhoben werden. Letzteres ist hier der Fall, weil der Kläger durch eine Veränderung der Artikelbeschreibung im Warenkatalog von Amazon die Markenrechtsverletzung des Beklagten bewusst provoziert hat, um unmittelbar danach markenrechtliche Ansprüche geltend machen zu können.

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Dass der Kläger den Beklagten nur zwei Wochen später kostenpflichtig abgemahnt hat, belegt, dass er den Beklagten bewusst “in die Falle hat laufen lassen.” Wenn es dem Kläger allein darauf angekommen wäre, seine Produkte über die Amazon-Plattform unter seiner Marke … zu vertreiben, so hätte es ihm offen gestanden, sich eine neue ASIN zu wählen und sich damit einfach und zuverlässig gegenüber künftige Markenverletzungen zu schützen. Warum er diesen Weg nicht beschritten hat, wurde von ihm nicht erklärt. Gegen den Kläger spricht ferner, dass er davon abgesehen hat, seine Mitbewerber über seine Änderung der Produktbeschreibung/namentlich das Einfügen seiner Marke … und die daraus erwachsenen rechtlichen Konsequenzen – zu informieren. Das wäre hier bei einem redlichen Vorgehen angezeigt gewesen, weil das Angebot von allen Mitbewerbern schon länger unter der Gattungsbezeichnung geführt worden war und weil der Kläger nicht ohne Weiteres annehmen konnte, dass seinen Mitbewerbern die Abänderung der Produktbeschreibung aufgefallen ist oder zumindest auffallen musste.

In diesem Zusammenhang hat das OLG angenommen, dass von einem Amazonverkäufer zwar grundsätzlich verlangt werden kann, dass er regelmäßig seine Angebote prüft, um sich davor zu schützen, dass er dem Verkehr irreführende Angebote unterbreitet. Etwas anderes gilt jedoch, wenn ein Angebot mehr als 1,5 Jahre mit einer rein beschreibenden Produktkennzeichnung versehen war und dass das Hinzufügen einer Marke angesichts der Qualität und Preisgefüge des Produktes für den Verkehr erkennbar keine herausragende Rolle spielen konnte. Mit anderen Worten bei eher kleinpreisigen Produkten ist eine Marke nach Ansicht des OLG nicht so wichtig. Insbesondere war der Zeitraum von zwei Wochen nicht lang genug, um hier eine entsprechende Prüfungspflicht zu konstruieren.

Die Entscheidung ist ein wichtiger Schritt in Richtung Rechtssicherheit für Amazonhändler. Gerade bei “beliebten” ASINs ist es oft so, dass Händler diese Beschreibung für sich monopolisieren möchten. Dies gilt umso mehr, wenn es ursprünglich der Händler war, der die Produktbeschreibung eingestellt hatte. Ein bisher beliebter Weg war, aus dem No-Name-Produkt ein Markenprodukt zu machen. Dem hat das OLG jetzt aus markenrechtlichen Gesichtspunkten einen Riegel vorgeschoben, nachdem ein derartiges Vorgehen schon vorher -zu recht- als wettbewerbswidrig angesehen wurde.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Entscheidung ist der Umstand, dass das OLG eine Überprüfungspflicht nur eingeschränkt annimmt. Wichtige Faktoren sind hier die Umstände, wie lange eine Produktbeschreibung bereits genutzt wurde, um was für eine Art von Produkt es sich handelt und welcher Zeitraum vergangen ist, seitdem der Händler zum letzten Mal einen kritischen Blick auf die von ihm benutzte Produktbeschreibung bei Amazon geworfen hatte.

Dies bedeutet nicht, dass sich der Händler, der bei Amazon Produktbeschreibungen nutzt die bereits vorhanden sind, überhaupt nicht mehr um das kümmern muss, was sich unter dieser Produktbeschreibung tut. Zumindest alle zwei bis drei Wochen sollten Händler überprüfen, ob die Produktbeschreibung noch dem entspricht unter dem sie diese ursprünglich einmal genutzt haben.

Praxistipp

Aus der Praxis heraus empfehlen wir (wenn dies umständlich erscheinen mag) entsprechend genutzte Produktbeschreibungen nicht nur regelmäßig zu überprüfen, sondern auch zu dokumentieren, dies gilt gerade dann, wenn eine Produktbeschreibung erstmalig für eigene Angebote bei Amazon genutzt wird. In diesem Fall ist es leichter, einen möglichen Rechtsmissbrauch, gerade bei einem späteren Hinzufügen einer Marke zu beweisen. Auch wenn der Arbeitsaufwand erheblich ist, kann dies unter dem Strich viel Geld sparen.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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