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Leitsatz:

Internetauktionen sind keine Versteigerungen im Sinne des § 156 BGB. Das Widerrufsrecht ist daher nicht gem. § 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB ausgeschlossen

AG Itzehoe, Urteil vom 18.05.2004, AZ 57 C 361/04 (Rechtskräftig)

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 596,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2004 Zug um Zug ge­gen Übergabe zweier Armbanduhren, Typ “Original Glashütte Herrenuhr/Atelier Bruno Söhnle SA Großdatum” zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte in Annahmeverzug befindet.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betra­ges abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen.

 

 

Tatbestand:

Die Beklagte bot Ende 2003 als sog. Powerseller im Intemetauktionshaus ebay zwei Herrenarmbanduhren zum Verkauf an. Hierbei handelte es sich um zwei “Original Glashütte Herrenuhr Großdatum neu” ‑ Armbanduhren.

Die Armbanduhren wurden dabei unter den Artikeinummem 2679789163 und 2679788967 angeboten, wobei für erstere das Auktionsende auf den 25.12.2003, 18:45 Uhr festgelegt war und für die zweite Armbanduhr auf den 25.12.2003, 19:15 Uhr.

Zu den jeweiligen Zeiten hatte der Kläger das höchste Gebot abgegeben, sodass letztlich die erstgenannte Armbanduhr zu einem Preis von 351,00 € und die zweit­genannte Armbanduhr zu einem Preis 235,56 € vom Kläger ersteigert wurde.

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von ebay heißt es unter B) § 9:

1. Indem ein Mitglied als Anbieter zwecks Durchführung einer Online‑Auktion ei­nen Artikel auf die ebay‑Website einstellt, gibt es ein verbindliches Angebot zum Vertragsschluss über diesen Artikel ab. Dabei bestimmt der Anbieter eine Frist, binnen derer das Angebot durch ein Gebot angenommen werden kann (Laufzeit der Online‑Auktion). Das Angebot richtet sich an den Bieter, der während der Laufzeit der Online‑Auktion das höchste Gebot abgibt und etwaige zusätzlich festgelegte Bedingungen im Angebot (z.B. bestimmte Bewertungskriterien) erfüllt.

2. Der Bieter nimmt das Angebot durch Abgabe eines Gebots an. Das Gebot er­lischt, wenn ein anderer Bieter während der Laufzeit der Online‑Auktion ein höhe­res Gebot abgibt.”

Auf Aufforderung der Beklagten zahlte der Kläger für die beiden Uhren zusammen 586,56 €, zuzüglich 9,50 € Versandkosten, mithin insgesamt 596,06 € an die Be­klagte. Die Armbanduhren wurden am 05.01.2004 an den Kläger geliefert.

 

Da die Armbanduhren dem Kläger jedoch nicht gefielen, widerrief er mit E‑Mail vom 06.01.2004 die Kaufverträge gegenüber der Beklagten. Durch Anwalts­schreiben vom 23.01.2004 wurden die Kaufverträge dann nochmals widerrufen, wobei eine Frist bis zum 05.02.2004 für eine Einverständniserklärung der Be­klagten mit einer Rückabwicklung gesetzt wurde, die erfolglos verstrich.

Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm vorliegend ein Widerrufsrecht gem. §§ 312 d, 355 BGB zusteht. Insbesondere sei das Widerrufsrecht nicht nach § 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB ausgeschlossen, da die hier vorliegende Internetauktion keine Verstei­gerung im Sinne der Vorschrift darstelle.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 596,06 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2004 Zug um Zug gegen Über­gabe zweier Armbanduhren, Typ “Original Glashütte Herrenuhr/Atelier Bruno Söhnle SA Großdatum” zu zahlen;

festzustellen, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass dem Kläger kein Widerrufsrecht nach §§ 312 d, 355 BGB zusteht. §§ 312 b ff. BGB fänden bereits deshalb keine Anwendung, da der Kläger aufgrund des Umstandes, dass er zwei Armbanduhren ersteigert hat, ebenfalls als Unternehmer anzusehen sei. Zudem sei das Widerrufsrecht vorlie­gend nach § 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB ausgeschlossen. Auch bei der vorliegenden Internetauktion handele es sich um eine Versteigerung im Sinne dieser Vorschrift.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und in der Sache auch begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 346, 355, 357, 312 d BGB auf Rückzahlung des von ihm an die Beklagte geleisteten Betrages, Zug um Zug gegen Rückgabe der erhaltenen Armbanduhren.

Dem Kläger stand vorliegend ein Widerrufsrecht gemäß §§ 312 d, 355 BGB zu.

Die Beklagte ist unstreitig Unternehmerin. Der Kläger ist Verbraucher. Hinreichen­de Anhaltspunkte für eine Unternehmereigenschaft des Klägers bestehen entge­gen der Auffassung der Beklagten nicht, insbesondere ergibt sich eine Unterneh­mereigenschaft des Klägers nicht aus dem bloßen Umstand, dass dieser zwei Armbanduhren ersteigert hat. Der Vertrag zwischen den Parteien ist unter aus­schließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen wor­den; der Vertragsschluss erfolgte auch im Rahmen eines für den fernabsatzorga­nisierten Vertriebs‑ oder Dienstleistungssystems.

Das Widerrufsrecht des Klägers war nicht gemäß § 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB aus­geschlossen. Nach dieser Vorschrift besteht kein Widerrufsrecht bei Fernabsatz­verträgen “die in der Form von Versteigerungen (§ 156) geschlossen werden”. Vorliegend handelt es sich jedoch nicht um eine Versteigerung im Sinne dieser Vorschrift.

Bei einer Versteigerung nach § 156 BGB kommt der Vertrag dergestalt zustande, dass zunächst Gebote als Vertragsangebot im Sinne des § 145 BGB abgegeben werden, wobei jeweils ein Gebot erlischt, wenn ein Übergebot abgegeben wird, und dann der Zuschlag der Gegenseite erfolgt, weicher die Annahme des Ver­tragsangebotes darstellt. Der Zuschlag stellt dabei eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Der Gegenseite steht es bis zur Erteilung des Zuschlages frei, ob sie den Zuschlag erteilt oder nicht.

Während vor Inkrafttreten des BGB noch umstritten war, ob schon in der Veran­staltung der Versteigerung ein bindendes Angebot des Versteigerers an den Meistbietenden zu sehen sei, so dass jedes Gebot eines Bieters als Annahme des Vertrages unter der auflösenden Bedingung des nicht Nichtnachfolgens eines hö­heren Gebotes aufzufassen war, oder ob die Veranstaltung einer Versteigerung lediglich die Einladung des Versteigerers darstelle, ihm durch Gebote Vertragsan­träge zu machen, welche mit dem Zuschlag angenommen werden konnten, ist in § 156 BGB eine ausdrückliche Regelung dahingehend erfolgt, dass die Annahme des Vertrages erst mit dem Zuschlag erfolgt.

Bei der hier vorliegenden Internetauktion über die Firma ebay ist der Vertrags­schluss jedoch gerade nicht im Sinne des § 156 BGB erfolgt. Auf das Gebot des Klägers ist vorliegend nämlich gerade kein Zuschlag der Beklagten erfolgt. Viel­mehr ist ein Vertrag zwischen den Parteien nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff. BGB zustande gekommen (vgl. auch BGH, NJW 2002, 363).

Denn in der Freischaltung der Angebotsseite durch die Beklagte liegt bereits eine Willenserklärung der Beklagten. Dabei kann dahinstehen, ob die Willenserklärung der Beklagten als Verkaufsangebot und das spätere Höchstgebot des Klägers als dessen Annahme zu qualifizieren sind oder ob die Willenserklärung der Beklagten eine vorweg erklärte Annahme des vom Kläger abgegebenen Höchstgebotes dar­stellt (vgl. BGH, NJW 2002, 363).

Wenngleich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von ebay keine rechtliche Wertung der von den Parteien abgegebenen Erklärungen ersetzen können, so wird doch jedenfalls in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter B.) § 9 die vorgenannte Wertung bestätigt.

Zudem wird diese Wertung auch durch die historische Entstehungsgeschichte des § 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB bestätigt. § 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB stellt letztlich eine Umsetzung der Richtlinie 97/7 EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20.05.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen in Fernbsatz (NJW 1998, 212) dar. In dieser Richtlinie ist unter Art. 3 Abs. 1 vorge­sehen, dass die Richtlinie nicht für Verträge gilt, die “bei einer Versteigerung ge­schlossen werden”. Somit stand es den Mitgliedsstaaten offen, Versteigerungen vollständig aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen.

 

Dementsprechend sind dann auch zunächst im Referentenentwurf für das Fern­absatzgesetz Versteigerungen generell vom Anwendungsbereich des Fernab           satzgesetzes ausgenommen worden. Der Rechtsausschuss hat jedoch eine generelle Herausnahme von Versteigerungen aus dem Geltungsbereich des Fernab­           satzgesetzes abgelehnt. Letztendlich ist dann lediglich das Widerrufsrecht für Versteigerungen ausgeschlossen worden und zwar nur für Versteigerungen im Sinne des § 156 BGB. Die ausdrückliche Bezugnahme auf § 156 BGB ist insofern nicht zwingend, als § 156 BGB dispositives Recht darstellt und durch Versteige­           rungsbedingungen abbedungen werden kann.

Während bei der allgemeinen Bezeichnung “Versteigerung” noch Wertungsmög­           lichkeiten bestanden hätten, ob diese Bezeichnung eng oder weit auszulegen ist,       ist durch die ausdrückliche Bezugnahme auf § 156 BGB klargestellt, dass unter            diese Vorschrift nur Versteigerungen im Sinne des § 156 BGB, verstanden wer­den sollen, also nur bei Vorliegen von Gebot und Zuschlag.            Auch der Sinn und Zweck der dem § 312 d BGB zugrunde liegende Fernabsatz           richtlinie stützt die vorgenannte Wertung. Hintergrund der Fernabsatzrichtlinie war es nämlich, dass Verträge, die unter Einsatz von Fernkommunikationstechniken            geschlossen werden, für den Verbraucher besonders gefahrenträchtig sind. Die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers ergibt sich dabei aus der “Unsichtbarkeit des Vertragspartners und des Produkts” (Martinek, NJW 1998, 207). So ist auch    unter Abs. 14 der Gründe der Fernabsatzrichtlinie ausgeführt: ” Der Verbraucher hat in der Praxis keine Möglichkeit, vor Abschluss des Vertrags das Erzeugnis zu           sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung im Einzelnen zur Kenntnis zu nehmen” (NJW 1998, 212, 213).            Die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers ist aber bei einem Vertragsschluss mit            einem Unternehmer über ebay genau so groß, als wenn der Verbraucher außer   halb einer solchen Auktion Waren beim Unternehmer über das Internet kauft.

Sofern das Widerrufsrecht bei einer Auktion über ebay für den Verbraucher nicht            gelten würde, wäre dies für den Unternehmer eine leichte Möglichkeit, um dem            Widerrufsrecht im Fernabsatz zu entgehen, indem der Unternehmer diese Platt­form für seinen Vertrieb wählt.

Das Gericht folgt nicht der Auffassung des Amtsgerichts Bad Hersfeld (Urteil vom 22.03.2004, AZ 10 C 153/04), wonach die Willenerklärung des Anbietenden ei­nem Zuschlag im Sinne des § 156 BGB gleichzustellen sei.

Diese Wertung würde im Ergebnis auf eine analoge Anwendung des § 156 BGB hinauslaufen. Für eine solche analoge Anwendung ist jedoch kein Raum, da es bereits an einer Regelungslücke fehlt. Wie bereits dargestellt, ist nämlich die Be­zugnahme auf § 156 BGB bewusst erfolgt. Es kommt hinzu, dass bei der vorlie­genden Internetauktion über ebay die Willenserklärung des Anbietenden bereits bei ihrer Abgabe bindend ist. Bei einer Versteigerung im Sinne des § 156 BGB kann sich der Anbietende jedoch bis zum Schluss entscheiden, ob er den Zu­schlag erteilt oder nicht. Insoweit liegt eine grundsätzlich andere Situation vor, als bei der hier vorliegenden Internetauktion.

Das Gericht folgt ebenfalls nicht der Auffassung des Amtsgerichts Osterholz­-Scharmbeck vom 23.08.2002 (AZ 3 C 415/02). Eine bloße zeitliche Begrenzung der Auktion kann aus den vorstehenden Gründen eben nicht einem Zuschlag im Sinne des § 156 BGB gleichgesetzt werden.

Die Beklagte befindet sich in Annahmeverzug, nachdem sie sich mit einer Rück­abwicklung des Vertrages nicht einverstanden erklärt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gegen das Urteil war nach Auffassung des Gerichts vorliegend gem. § 511 Abs. 4 ZPO die Berufung zuzulassen.

Zum Einen machen die zu der streitgegenständlichen Rechtsfrage bereits ergan­genen divergierenden Entscheidungen (vgl. die bereits genannten Entscheidun­gen des Amtsgerichts Osterholz‑Scharmbeck und des Amtsgerichts Bad Hersfeld und die Entscheidung des Landgerichts Hof, MMR 2002, 760) sowie mehrere vorwiegend im Intemet veröffentlichte Beiträge zu dieser Frage deutlich, dass es sich vorliegend um eine noch nicht eindeutig geklärte Rechtsfrage handelt.

Zudem hat die Rechtssache insoweit grundlegende Bedeutung, als eine Vielzahl von Verträgen über das Intemetauktionshaus ebay auch zwischen Verbrauchern und Unternehmern abgeschlossen wird und hierbei die Frage, ob dem Verbrau­cher ein Widerrufsrecht zusteht, von elementarer Bedeutung für die Vertragspar­teien ist.

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