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Leitsatz

Die unberechtigte Meldung von Markenrechtsverletzungen bei Amazon ist wettbewerbswidrig. Dies gilt umso mehr, wenn durch die Meldungen feste Verkaufpreise durchgesetzt werden sollen.

31 O 53/10

(Geschäftsnummer)

Landgericht Frankfurt (Oder)

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

Des ……

Verfügungsklägers,

– Prozessbevollmächtigte(r):      Rechtsanwälte Langhoff, Dr. Schaarschmidt & Kollegen,

                                               Richard-Wagner-Straße 14, 18055 Rostock

gegen

Verfügungsbeklagte,

– Prozessbevollmächtigte:         ….

hat die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt (Oder)

auf die mündliche Verhandlung vom 04.02.2010

durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht ….

für  Recht erkannt:

Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, gegenüber Amazon (sowohl Amazon.de GmbH, Moosacher Straße 51, 80809 München, wie auch der Amazon Services Europe S.a.r.l., 5, Rue Plaetis, L-2338 Luxemburg), zu erklären oder erklären zu lassen, dass folgende Produkte des Antragstellers bei Amazon nicht gegen gewerbliche Schutzrechte (Urheber-, Marken-, Patent-, gebrauchs- und Geschmacksmusterrechte) verstoßen:

Amazon-ASIN-Nr.          Produktbezeichnung

            ……….

Der Verfügungsbeklagten wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren – zu vollstrecken an dem Geschäftsführer – untersagt, gegenüber Dritten, insbesondere Amazon, erklären oder erklären zu lassen, dass Angebote des Antragstellers gewerbliche Schutzrechte verletzen, sofern dies nicht tatsächlich der Fall ist.

Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Verfügungskläger handelt mit Handys und Handy-Zubehör. Sein Hauptverkaufsbereich betrifft den Internethandel. Hier ist er zumeist über die Plattform Amazon tätig, er erwirtschaftet etwa 85 % seines Umsatzes mittels Verkäufen über Amazon. Zu seinem Sortiment zählen auch Produkte des US-amerikanischen Herstellers …..Inc.  mit der Markenbezeichnung …..

Die Verfügungsbeklagte ist Generalimporteurin des Herstellers … Inc. für Deutschland.

Unter dem 26.07.2009 forderte die Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger auf, bestimmte, von … Inc. vorgegebene Mindestpreise für die betreffenden Waren zu fordern. Hierzu sandte die Geschäftsführerin der Verfügungsbeklagten dem Verfügungskläger eine e-mail, der zufolge sie auf den online-Verkauf der Produkte durch den Verfügungskläger aufmerksam geworden war, und diesen um Einhaltung der Preise bat. Einen Anspruch auf Einhaltung von Preisvorgaben hatte weder die Verfügungsbeklagte noch der Hersteller …. Inc.. Der Verfügungskläger vertrieb die Waren der …. Inc. weiterhin mit den Preisen, die er für richtig hielt.

Am 20.11.2009, am 03.12.2009 und am 21.01.2010 erhielt der Verfügungskläger von Amazon die Nachricht, dass ein Herr …… gegenüber Amazon geltend gemacht hatte, der Verfügungskläger verstoße gegen Schutzrechte der …. inc.. ….. ist der Verkaufsmanager der …. inc.. Mit der Meldung vom 21.01.2010 sperrte Amazon das Verkäufer-Konto des Verfügungsklägers wegen der von Herrn …… behaupteten wiederholten Schutzrechtsverletzung.

Die Behauptungen des Herrn ……. bezüglich Schutzrechtsverletzungen des Verfügungsklägers waren unwahr. Sie dienten dem Zweck, den Verfügungskläger als einen Händler, der sich der Preispolitik der …. inc. nicht anschloss, zu behindern bzw. auszuschalten.

Die Beklagte und die …. inc. waren gegenüber einem Dritten, einer Fa. ……, ebenfalls mit dem Zweck vorgegangen, bestimmte Preise durchzusetzen. Am 24.09.2009 übersandte die Geschäftsführerin der Verfügungsbeklagten der …… ein Faxschreiben, in dem sie von der …… die Einhaltung bestimmter preislicher Vorgaben forderte. Nachdem sich der Geschäftsführer der …… dieser Forderung nicht unterwarf, ließ Herr ……. Produkte des Herstellers …… bei Amazon sperren. Es schloss sich eine e-mail-Korrespondenz des Geschäftsführers der …… mit Herrn ……. an. In diesem Rahmen sandte Herr ….. an den Geschäftsführer der ……. am 09.12.2009 eine mail, in der es auszugsweise – auf Bl. 39 d. A. wird Bezug genommen – sinngemäß heißt:

“…… von …… GmbH ist der Alleinvertriebspartner für ….. … Wir haben alle Verkäufer bei Amazon entfernt, da die Händler unsere Preisempfehlung nicht einhielten. … dies kann nicht akzeptiert werden…Ich habe versucht, viele Verkäufer bei Amazon direkt zu erreichen, jedoch nur geringe Rückmeldungen erhalten. Meine einzige Möglichkeit war, dass alle Angebote entfernt werden müssen”.

Der Verfügungskläger beantragt,

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, gegenüber Amazon (sowohl Amazon.de GmbH, Moosacher Straße 51, 80809 Müchen, wie auch der Amazon Services Europe S.a.r.l., 5, Rue Plaetis, L-2338 Luxemburg), zu erklären oder erklären zu lassen, dass folgende Produkte des Antragstellers bei Amazon nicht gegen gewerbliche Schutzrechte (Urheber-, Marken-, Patent-, gebrauchs- und Geschmacksmusterrechte) verstoßen:

Amazon-ASIN-Nr.          Produktbezeichnung

            …….

sowie

der Verfügungsbeklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren – zu vollstrecken an dem Geschäftsführer – zu untersagen, gegenüber Dritten, insbesondere Amazon, erklären oder erklären zu lassen, dass Angebote des Antragstellers gewerbliche Schutzrechte verletzen, sofern dies nicht tatsächlich der Fall ist.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie behauptet, es fehle ihr an Möglichkeiten, auf den amerikanischen Hersteller einzuwirken. Sie habe versucht, Herrn …. telefonisch zu bewegen, dieser möge gegenüber Amazon mitteilen, dass es sich um einen Irrtum gehandelt habe, sei damit aber nicht erfolgreich gewesen. Sie habe sich auch selbst telefonisch an Amazon gewendet und versucht, die Freischaltung der Plattform zugunsten des Verfügungsklägers zu erreichen; dies habe Amazon verweigert. Eine von ihr stammende Erklärung vermöge dem Verfügungskläger deshalb nicht zu nutzen.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

Der Verfügungskläger kann die Verfügungsbeklagte auf Beseitigung und Unterlassen einer auch von ihr ausgehenden Störung in Anspruch nehmen gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Dass die zum Nachteil des Verfügungsbeklagten gegenüber Amazon aufgestellte Behauptung, der Verfügungsbeklagte verstieße gegen Marken- oder andere Schutzrechte, unzutreffend war, steht zwischen den Parteien nicht im Streit; desgleichen nicht, dass diese Behauptung gegenüber Amazon nur aus dem Grund aufgestellt wurde, den Verfügungskläger im Wettbewerb zu behindern, weil er nicht bereit war, sich der Preispolitik des Herstellers zu unterwerfen. Dass eine derartige Vorgehensweise gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 1, Nr. 8, Nr. 10 UWG unlauter ist, bedarf keiner näheren Ausführungen, zumal die Verfügungsbeklagte selbst dies auch nicht in Zweifel zieht.

Die Verfügungsbeklagte muss für dieses Verhalten einstehen, obwohl nicht sie, sondern der Vertriebsleiter des US-amerikanischen Herstellers, Herr …, im Wege des elektronischen Verkehrs die Sperrung der Plattform Amazon für den Verfügungskläger letztlich verursacht hat. Die Verfügungsbeklagte haftet für dieses Verhalten als Störer, weil sie zumindest das Vorgehen des Herstellers mit bedingtem Vorsatz begünstigt, wenn nicht selbst aktiv gefördert hat.

Angesichts des wiederholten Vorgehens der Verfügungsbeklagten und des Herstellers, wie es sich im Vorgehen gegenüber der Fa. …. und gegenüber dem Verfügungsbeklagten darstellt, ist von einem gemeinsamen und bewussten Zusammenwirken der Verfügungsbeklagten und des Herstellers zum Zwecke der Durchsetzung bestimmter Preisvorstellungen auszugehen, bei dem die Verfügungsbeklagte mit dem wettbewerbswidrigen Vorgehen des Herstellers jedenfalls rechnen musste.

In beiden Fällen war es zunächst die Verfügungsbeklagte, die sich an die Verkäufer der Waren wandte und um die Einhaltung der Preisvorgaben bat. Zwar wird die Initiative hierfür von dem Hersteller ausgegangen sein, nicht von der Verfügungsbeklagten; dies lässt sich jedenfalls der e-mail des Herrn ….. an den Geschäftsführer der ……  vom 09.12.2009 entnehmen. Ausgeführt wurden diese Bitten um Einhaltung der Preisvorgaben jedoch von der Verfügungsbeklagten, unterzeichnet bzw. per e-mail versandt von ihrer Geschäftsführerin. Der Geschäftsführerin der Verfügungsbeklagten ist, wie sie in der mündlichen Verhandlung erklärte, durchaus bewusst, dass weder der Verfügungsbeklagten noch dem Hersteller ein Anspruch auf Einhaltung der Preisvorgaben zusteht. Damit konnte sie auch nicht erwarten, dass ihre Bitte im Sinne eines unverbindlichen Rundschreibens größeren Erfolg gehabt hätte. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge war vielmehr zu erwarten, dass die Empfänger ihrer Faxe oder mails – wie im Fall des Verfügungsklägers oder des Geschäftsführers der ….. – ihr Ansinnen nicht befolgen würden, wie sich im Übrigen auch aus der mail des Herrn ….. vom 09.12.2009 ergibt, der zufolge direkte Ansprachen von Verkäufern wenig Erfolg besaßen.

Konnte die Geschäftsführerin der Verfügungsbeklagten mithin nicht erwarten, dass die Adressaten ihrer Schreiben und mails freiwillig der Aufforderung zur Einhaltung der Preisvorgaben nachkamen, so hatte ihr Tätigwerden bei Versendung der Faxe und mails nur dann Sinn, wenn die Verfügungsklägerin auch bereit war – ggf. durch Einschaltung des Herstellers – Konsequenzen zu ziehen. Nachdem die Verfügungsbeklagte auf den Vertrieb der ….-Produkte im Internet aufmerksam geworden war, lag es auf der Hand, dass ggf. der Hersteller der Produkte den Vertriebsweg über das Internet wählen würde als Mittel, seine Preisvorgaben durchzusetzen. Hiermit hätte die Verfügungsbeklagte zumindest rechnen müssen, wenn sie nicht schon selbst durch Übermittlung der Daten z.B. des Verfügungsklägers und der ….. an den Hersteller aktiv tätig geworden sein sollte. In Anbetracht des Verhältnisses der Verfügungsbeklagten zum Hersteller als Alleinimporteur und auf der Grundlage, dass bei der Verfügungsbeklagten ein besserer Überblick über den hiesigen Markt als beim US-amerikanischen Hersteller erwartet werden kann, liegt allerdings die Annahme nahe, dass die Verfügungsklägerin die Daten der von ihr angeschriebenen / angemailten Unternehmen dem Hersteller überlassen haben wird.

Der dem Verfügungskläger zustehende Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch wäre nicht erloschen, wenn das – von der Verfügungsbeklagten nicht glaubhaft gemachte – Vorbringen in der mündlichen Verhandlung zuträfe, sie habe bereits telefonisch versucht, bei Amazon die Freischaltung zugunsten des Verfügungsklägers zu erreichen. Nach ihrem Vorbringen ist offen geblieben, was genau sie ihrem Gesprächspartner bei Amazon erklärte, insbesondere, ob sie mit der gebotenen Deutlichkeit darlegte, dass sie selbst von einem wettbewerbswidrigen Handeln des Herstellers ausging, letztlich sogar von einem Missbrauch der von Amazon vorgehaltenen Schutzvorkehrungen zugunsten des Marken- und Urheberrechtsschutzes durch den Hersteller. Damit kann von einer Erfüllung des Anspruchs nicht ausgegangen werden.

Der Inanspruchnahme der Verfügungsbeklagten durch den Verfügungskläger steht ebenfalls nicht entgegen, dass nicht feststeht, ob durch eine Erklärung der Verfügungsbeklagten die Freischaltung der Amazon-Plattform zugunsten des Verfügungsklägers erreicht werden kann. Der Verfügungskläger verlangt von der Verfügungsbeklagten nicht die Freischaltung von Amazon, sondern nur die Abgabe einer Erklärung, von der er hofft, dass Amazon ihn hierauf wieder als Verkäufer auftreten lassen wird. Die Abgabe der Erklärung ist der Verfügungsbeklagten möglich. Es erscheint auch nicht als ausgeschlossen, dass Amazon bei Darlegung der Umstände in der gebotenen Deutlichkeit die Sperrung beendet, auch wenn sie nur im Rechtsverhältnis zwischen Verfügungskläger und Alleinimporteurin, nicht hingegen im Verhältnis zum Hersteller erfolgt.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO, die im Wege des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung getroffene Entscheidung ist ohne entsprechenden gesonderten Ausspruch vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird in Anbetracht des wirtschaftlichen Interesses des Verfügungsklägers an der Aufrechterhaltung bzw. Wiederermöglichung seines Geschäftsbetriebs auf 30.000,00 € festgesetzt.

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