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Änderungen durch die neue Markenrichtlinie bei Google AdWords nach aktueller Rechtsprechung des EuGH

Von Fabian Liebenow

Google verdient einen Großteil seines Geldes mit gezielter Werbung im Internet. Werbetreibende können Googles Angebot AdWords als Referenzierungsdienst nutzen und Werbeanzeigen in Textform buchen die thematisch zum jeweiligen Suchbegriff des Internetnutzers passen. Durch Vorgabe bestimmter Schlüsselwörter (Keywords) werden die Anzeigen gezielt geschaltet, wenn der Nutzer nach bestimmten Begriffen bei Google oder einer der beteiligten Webseiten sucht. Für den Werbenden kommt es daher darauf an, für die eigene Zielgruppe passende und zugkräftige Schlüsselwörter zu finden, wobei dies natürlich sehr oft Markennamen sein werden. Google hat mit Wirkung zum 14. September 2010 die eigene AdWords Markenrichtlinie geändert und vereinfacht. Google ermöglicht und erlaubt nunmehr generell das gezielte Verwenden fremder Marken als Schlüsselwörter für Werbeanzeigen.

Entscheidungen des EuGH

Die Grundlage hierfür ist ein Urteil des EuGH vom 23.03.2010 (Az: C-236/08 bis C-238/08), welches von Google entsprechend ausgelegt wird. In dem Urteil entschieden die Richter über drei unterschiedliche französische Vorlageverfahren. Es klagten mehrere Markeninhaber (u.a. Vuitton) gegen Google France, da sie durch die Schaltung von AdWords-Werbung mit ihren Markennamen als Schlüsselwörter ihre Markenrechte durch Google verletzt sahen. Artikel 5 Abs. 1 der Richtline 89/ 104 /EWG gewährt dem Inhaber ein ausschließliches Recht an der eingetragenen Marke:

“(1) Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

a) ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;

b) ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.”

Benutzung im geschäftlichen Verkehr

Der EuGH musste nun klären, ob durch die Möglichkeit,  fremde Marken als Schlüsselwort zu verwenden, eine Benutzung  der Marken im geschäftlichen Verkehr für Waren und Dienstleistungen durch Google erfolgt und hierdurch Markenrechtsverletzungen gegeben sind. Dies haben die Richter in dem Urteil vom 23.03.2010 sehr ausführlich dargelegt. Sie haben zum einen bejaht, dass durch den Werbenden eine Nutzung der fremden Marke im geschäftlichen Verkehr erfolgt – Google hingegen, als Dienstleister und Technikanbieter, die Marken trotz eindeutiger kommerzieller Interessen selbst nicht verwendet:

“Auch wenn sich aus diesen Gesichtspunkten ergibt, dass der Anbieter des Referenzierungsdienstes “im Geschäftsverkehr” handelt, wenn er die Werbenden mit Marken identische Zeichen als Schlüsselwörter aussuchen lässt, diese Zeichen speichert und anhand dieser Zeichen die Werbeanzeigen seiner Kunden einblendet, folgt daraus jedoch noch nicht, dass dieser Anbieter diese Zeichen selbst “benutzt” im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 89/104 und Art. 9 der Verordnung Nr. 40/94.[…]

Diese Schlussfolgerung kann nicht durch den Umstand entkräftet werden, dass dieser Erbringer für die Benutzung der genannten Zeichen durch seine Kunden eine Vergütung erhält. Die technischen Voraussetzungen für die Benutzung eines Zeichens zu schaffen und sich diese Dienstleistung vergüten zu lassen, bedeutet nicht, dass deren Erbringer dieses Zeichen selbst benutzt.”

Verwendung für Waren und Dienstleistungen

Daher prüft der EuGH die weiteren Merkmale der Markenrechtsverletzung nur für die Werbenden. In der Streitsache mit dem Aktenzeichen C-236/08 wurde auch im Anzeigentext direkt, mit geschützten Markenbezeichnungen von Vuitton, für Plagiate geworben.

Bei den beiden anderen Fällen wurden die Marken in den jeweiligen Werbeanzeigen nicht direkt verwendet, sondern spielten nur im Hintergrund als Schlüsselwort eine Rolle. Dennoch sieht der EuGH auch hier eine Verwendung der Marke für Waren und Dienstleistungen:

“Im Fall des Referenzierungsdienstes ist unstreitig, dass der Werbende durch die Auswahl des mit einer Marke identischen Zeichens als Schlüsselwort darauf abzielt, dass die Internetnutzer, die dieses Wort als Suchbegriff eingeben, nicht nur auf die vom Inhaber dieser Marke herrührenden angezeigten Links klicken, sondern auch auf den Werbelink des Werbenden.

Zudem ist klar, dass der Internetnutzer, der einen Markennamen als Suchbegriff eingibt, in den meisten Fällen Informationen oder Angebote über die Waren oder Dienstleistungen dieser Marke finden will. Wenn nun neben oder über den natürlichen Suchergebnissen Werbelinks zu Websites gezeigt werden, auf denen Waren oder Dienstleistungen von Mitbewerbern des Inhabers dieser Marken vorgeschlagen werden, kann der Internetnutzer diese Werbelinks somit, sofern er sie nicht von vornherein als irrelevant außer Acht lässt und sie nicht mit denen des Inhabers der Marke verwechselt, als Vorschlag einer Alternative zu den Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers betrachten.

In dieser Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass ein Mitbewerber eines Markeninhabers ein mit der Marke identisches Zeichen als Schlüsselwort ausgewählt hat, um den Internetnutzern eine Alternative zu den Waren oder Dienstleistungen dieses Markeninhabers vorzuschlagen, wird das Zeichen für Waren oder Dienstleistungen benutzt.”

Beeinträchtigung der Funktion der Marke durch die Benutzung

Hier kommt es darauf an, wie die Marke konkret genutzt wird und ob dadurch die Funktionen der Marke beeinträchtigt werden. Die Funktionen einer Marke sind zum Beispiel die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber dem Verbraucher und die Gewährleistung der Qualität. Darüber hinaus gibt es noch Kommunikations-, Investitions- und Werbefunktionen.  Wird nun beispielsweise in bei Nutzung der Marke für Plagiate geworben, wird hierbei die Funktion der Marke beeinträchtigt, da über die Herkunft, Echtheit und wahrscheinlich auch Qualität der Ware getäuscht wird.  

Nach Ansicht des EuGH, ist es für die herkunftsweisende Funktion bedeutend, wie die Anzeige gestaltet ist. Entscheidend ist, wie ein normal aufmerksamer Internetnutzer die Anzeige wahrnimmt. Für diesen darf nicht schwer zu erkennen sein, ob in die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienstleistungen von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammen. Sollte in der Anzeige der Eindruck erweckt werden, dass der Werbende mit dem Markeninhaber wirtschaftlich verbunden ist, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall ist, dürfte nach Ansicht des EuGH wohl auf eine Verwechslungsgefahr geschlossen werden und damit eine Markenrechtsverletzung vorliegen:

“In einer solchen Situation, die im Übrigen dadurch gekennzeichnet ist, dass die fragliche Anzeige sofort erscheint, sobald ein Internetnutzer die Marke als Suchwort eingegeben hat, und zu einem Zeitpunkt gezeigt wird, zu dem die Marke auf dem Bildschirm auch in ihrer Eigenschaft als Suchwort sichtbar ist, kann sich der Internetnutzer hinsichtlich des Ursprungs der betroffenen Waren oder Dienstleistungen irren. Unter diesen Umständen kann die Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens durch den Dritten als Schlüsselwort, das das Erscheinen der Anzeige auslöst, den Eindruck entstehen lassen, dass im geschäftlichen Verkehr eine konkrete Verbindung zwischen den betroffenen Waren oder Dienstleistungen und dem Markeninhaber besteht (vgl. entsprechend Urteile Arsenal Football Club, Randnr. 56, und vom 16. November 2004, Anheuser-Busch, C 245/02, Slg. 2004, I 10989, Randnr. 60).[…]

Wird in der Anzeige das Bestehen einer wirtschaftlichen Verbindung zwar nicht suggeriert, ist sie aber hinsichtlich der Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen so vage gehalten, dass ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Internetnutzer auf der Grundlage des Werbelinks und der ihn begleitenden Werbebotschaft nicht erkennen kann, ob der Werbende im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter oder vielmehr mit diesem wirtschaftlich verbunden ist, wird ebenfalls auf eine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion zu schließen sein.”

Die Entscheidung, ob eine Werbeanzeige die herkunftshinweisende Funktion der Marke beeinträchtigt, ist Sache des jeweiligen nationalen Gerichts.

Die Werbefunktion der Marke wird, nach Ansicht des EuGH, durch die Verwendung als Schlüsselwort allerdings nicht verletzt. Wenn eine Marke als Schlüsselwort verwendet wird, bedeutet das, dass der Internetnutzer gerade nach genau dieser Marke sucht und bei den Suchergebnissen im Regelfall die Internetseite des Markeninhabers an prominenter Stelle im Suchindex stehen wird, da dieser zu den relevantesten Suchergebnissen gehören dürfte.

Ist Google für Markenrechtsverletzungen verantwortlich?

Letztlich könnte aber Google für die Markenrechtsverletzungen der Werbenden mitverantwortlich sein. Für die Verantwortlichkeit eines Referenzierungsdienstes (hier AdWords) soll es von entscheidender Bedeutung sein, ob dessen Rolle “neutral” und sein Verhalten rein technischer, automatischer und passiver Art ist und er weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleiteten oder gespeicherten Informationen besitzt. Das Google diese Anforderungen wohl erfüllt, hat der EuGH in dem Urteil zwar angedeutet, letztlich aber offen gelassen und die Beantwortung dieser Frage im jeweiligen Einzelfall den nationalen Gerichten überlassen.

Fazit

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass der EuGH die Möglichkeit von Markenverletzungen bei AdWords generell für gegeben hält, allerdings das Haftungsrisiko von Google deutlich reduziert. Die europäischen Richter halten Googles AdWords aber für mit dem Markenrecht vereinbar und sehen kein generelles Problem bei der Verwendung fremder Marken als Schlüsselwörter sofern die vorgenannten Bedingungen erfüllt werden. Es ist wohl davon auszugehen, dass AdWords von den nationalen Gerichten zukünftig als “neutraler” Dienst aufgefasst werden wird und daher Google für mögliche Markenverletzungen nicht haften muss. In diesem Licht wird auch die Neufassung der eigenen Markenrichtlinie verständlich – Google genehmigt grundsätzlich die Verwendung fremder Marken und bietet den Markeninhabern lediglich eine Beschwerdemöglichkeit in konkreten Einzelfällen.

So ist es für den unabhängigen Fernsehtechniker ab sofort generell möglich, gezielt die von ihm reparierten Marken als Schlüsselwörter zu verwenden ohne dass die Hersteller dies verhindern können. Auch können Unternehmen zielgerichtet im Umfeld der Konkurrenz werben und beispielsweise bei der Suche nach einem Produkt des Konkurrenten Anzeigen für die eigene Alternative schalten. 

Bisherige Rechtsprechung

Dies war in Deutschland bislang anders. Markeninhaber konnten ihre Marken bei AdWords als Schlüsselwörter sperren und so verhindern, dass Dritte mit so auf ihre Anzeigen aufmerksam machten. Auch war die bisherige Rechtsprechung uneinheitlich und teilweise widersprüchlich. Es war umstritten, ob die Verwendung fremder Marken als Schlüsselwörter überhaupt das Markenrecht berührt. Das Oberlandesgericht Frankfurt sah in einem Beschluss vom 26.02.2008 (Az: 6 W 17/08) keine Markenrechtsverletzung, sofern die Anzeige deutlich als solche zu erkennen ist. Anders sah es beispielsweise das OLG Braunschweig, beispielsweise im Beschluss vom 11.12.2006 (Az: 2 W 177/06), wonach allein das Verwenden einer fremden typischen Markenbezeichnung als Schlüsselwort eine Markenrechtsverletzung darstellen soll.

Auch der BGH hat sich bereits mehrfach mit der AdWords Problematik beschäftigt. In der “PCB-Pool” Entscheidung vom 22.01.2009 (Az: I ZR 139/07) hatte der BGH die Werbung mit dem Schlüsselwort “pcb” für zulässig erklärt, selbst wenn die Werbung auch eingeblendet wurde, wenn der Internetnutzer nach der geschützten Bezeichnung “PCB-Pool” suchte. Die Abkürzung “pcb” steht für “printed circuit board” (Leiterplatte) und der BGH sah hier einen rein beschreibenden Begriff, der lediglich Bestandteil einer markenrechtlich geschützten Kennzeichnung ist.

In der “Beta-Layout” Entscheidung vom 22.01.2009 (Az: I ZR 30/07) verneinten die Richter ebenfalls eine Markenverletzung. Hier stritt die Beta Layout GmbH mit einen Konkurrenten, der das Schlüsselwort “Beta Layout” verwendete. Hier verneinte der BGH die Verwechslungsgefahr, da die Werbung unter der Rubrik Anzeigen aufgeführt war und das geschützte Zeichen selbst, dort nicht verwendet wurde.

Die bisherige Rechtsprechung, die dem Urteil des EuGH widerspricht, dürfte nunmehr Makulatur sein und die Gerichte sich zukünftige an den Vorgaben des EuGH orientieren. Abzuwarten bleibt, ob der BGH durch die Andeutungen des EuGH, zukünftig andere Kriterien an die Verwechslungsgefahr stellen oder seine bisherige Rechtsprechung beibehalten wird.    

Was heißt dies nun für den Werbenden?

Googles Reaktion auf das Urteil folgt eher den eigenen wirtschaftlichen Wünschen als den Interessen der werbenden Kunden. Durch die Freigabe bekannter Markennamen als Schlüsselwörter dürfte eine Umwälzung auf dem Online-Werbemarkt stattfinden und Googles Umsatz deutlich steigen. Gerade bei bekannten Marken wird Google durch die, von den Werbenden gewünschte, prominente Platzierung viel Geld verdienen. Ob die neue Markenrichtlinie aber auch den Interessen der Werbenden dient ist zu bezweifeln. Nicht alles, was Google jetzt pauschal erlaubt, wird rechtlich auch zulässig sein. Der EuGH hat gerade keinen generellen Freibrief für die Verwendung fremder Marken erteilt, sondern vielmehr Grenzen gesetzt und klar gesagt  wann eine Markenrechtsverletzung vorliegt. Der wichtigste Punkt dürfte hierbei die Gefahr der Verwechslung, durch den Internetnutzer, über die Ware, die Dienstleistung oder den Anbieter sein. Die Auslegung des Urteils dahingehend wird in Zukunft durch die nationalen Gerichte erfolgen, welche dann beurteilen müssen, ob und wann diese Verwechslungsgefahr vorliegt. Es bleibt abzuwarten, wo diese Grenze zukünftig gezogen wird und ob die Rechtsprechung hier auf einen gemeinsamen Nenner kommt oder die Gerichte vorerst wieder grundsätzlich andere Auffassungen vertreten werden.

Mit Spannung dürfte daher von den Betroffenen die Entscheidung des BGH über das “Bananabay” Verfahren erwartet werden. In diesem Verfahren streiten sich zwei Internetversandhändler von Erotikartikeln. Die Beklagte verwendete den Markennamen “Bananabay” des Klägers als Schlüsselwort und so wurden Internetnutzern, die auf der Suche nach dem Angebot des Klägers waren, identische Angebote der Beklagten angezeigt. Der BGH hat dieses Verfahren vorab dem EUGH vorgelegt. Der EuGH hat mit Beschluss vom  26.03.2010 (Az: C-91/09) im Sinne des vorgenannten Urteils entschieden und die generelle Zulässigkeit der Verwendung einer fremden Marke als Schlüsselwort bejaht und wiederum die Grenze gezogen, dass über die Herkunft des Angebotes nicht getäuscht werden darf und deutlich werden muss, dass der Markeninhaber nicht hinter dem werbenden Anbieter steht und mit diesem nicht wirtschaftlich verbunden ist. Anderenfalls kann er einem werbenden Dritten die Verwendung der Marke verbieten. Es bleibt abzuwarten wie der BGH diesen Rechtsstreit entscheiden wird und ob ein Link auf eine andere Seite ausreicht, um eine Verwechslungsgefahr zu verhindern.

Für den Werbenden bieten sich so zum einen neue, lukrative Möglichkeiten der Werbeschaltung – aber auch neue rechtliche Probleme und eine zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht einschätzbare zukünftige Rechtsprechung. Wie sich dieses in Zukunft entwickeln wird bleibt abzuwarten. Es bleibt jedem Werbenden überlassen, welches Risiko er eingehen möchte, um seine Anzeigen bestmöglich zu platzieren.   

Nichts geändert hat sich hingegen an der Verwendung der Marke im Anzeigentext selbst, dieses sollte generell unterbleiben, da hier eine Markenverletzung durch die Verwechslungsgefahr meist vorliegen dürfte.        

Stand: 10/2010

Ihre Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard und Rechtsanwalt Andreas Kempcke, Rostock

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