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Überhöhter Streitwert: Rechtsmissbrauch ist auch bei einer Abmahnung im Markenrecht möglich (LG Hamburg)

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Das Thema Rechtsmissbrauch im Zusammenhang mit einer Abmahnung beschäftigt uns in erster Linie im Wettbewerbsrecht. Im Wettbewerbsrecht gibt es in § 8 Abs. 4 UWG eine Extra-Norm, die regelt, wann ein Rechtsmissbrauch im Wettbewerbsrecht gegeben ist. Im Wettbewerbsrecht sind Abmahnungen im Übrigen auch sehr viel einfacher als im Markenrecht, da im Bereich des Markenrechts erst einmal der Abmahner überhaupt Inhaber oder Berechtigter einer Marke sein muss.

Eine eigene Norm zum Rechtsmissbrauch im Markenrecht gibt es nicht. Die Annahme einer Rechtsmissbräuchlichkeit bei einer markenrechtlichen Abmahnung ist in der Praxis eher selten. Ein Beispiel kann die sog. bösgläubige Anmeldung einer Marke sein, so auch der BGH oder die Anmeldung einer ausländischen Marke

In einer aktuellen Entscheidung des Landgerichtes Hamburg (LG Hamburg, Urteil vom 07.01.2011, Az.: 406 O 168/10 – noch nicht rechtskräftig (Informationsstand: 13.01.2011)) hatte das Landgericht eine markenrechtliche einstweilige Verfügung wegen Rechtsmissbrauchs aufgehoben.

Hohe Abmahnkosten

Der Lizenznehmer eines Markeninhabers hatte anwaltlich eine Markenrechtsverletzung abmahnen lassen und den Gegenstandswert der Abmahnung mit 300.000,00 Euro angenommen. Nicht nur das, es war in der Abmahnung auch noch eine 1,8-Gebühr bezogen auf diesen Streitwert geltend gemacht worden. Dies ergibt einen Betrag von über 4.000,00 Euro für die Abmahnung. Doch nicht nur das, für ein nach Ansicht des Gerichtes vorliegenden “nicht mehr als durchschnittlich schwierigen Markenrechtsfall”, hatte der Abmahner auch noch Schadenersatz in Höhe eines Lizenzsatzes mit einem Aufschlag von 100 % auf den üblichen vertraglichen Lizenzierungssatz geltend gemacht.

Das Landgericht hat es richtig krachen lassen: Neben mehr als deutlichen Worten zum Thema Rechtsmissbrauch im Markenrecht wurde der ursprünglich höhere Gegenstandswert im einstweiligen Verfügungsverfahren für das Urteil im Widerspruchsverfahren auf 20.000,00 Euro herabgesetzt. Die Entscheidung ist durchaus lesenswert:

Die Rechtsverfolgung durch die Antragstellerin ist missbräuchlich im Sinne des § 242 BGB. Entsprechend der für den Bereich des Wettbewerbsrechtes in § 8 Abs. 4 UWG getroffenen Regelung ist das Vorliegen eines Rechtsmissbrauches unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Als missbräuchlich ist es danach zu beurteilen, wenn bei der Rechtsverfolgung sachfremde Motive oder Vorgehensweisen im Vordergrund stehen. Dies ist u. a.  dann der Fall, wenn bei der Rechtsverfolgung ein Interesse des Anspruchsinhabers zutage tritt, den Antragsgegner mit möglichst hohen Prozesskosten zu belasten und ihn auf diese Weise von einer Rechtsverteidigung abzuschrecken. Vorliegend ist die der aus Anlage E 4 ersichtlichen Abmahnung zugrunde gelegte Kostenforderung so exorbitant überhöht, dass daraus nur der Schluss gezogen werden kann, die Rechtsverfolgung erfolge, wenn schon nicht vorwiegend im Kosteninteresse, so doch deshalb unter Zugrundelegung eines bewusst überhöhten Gegenstandswertes, um den Abgemahnten durch überhöhte Verfahrenskosten von einer Rechtsverteidigung von vornherein abzuhalten. Dieses Vorgehen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Der markenrechtlich vorgebildete Jurist kann sich gegen derartige überhöhte Kostenforderungen zwar unschwer zur Wehr setzen und auch überblicken, wie realistisch eine solche Kostenforderung ist und mit welchen Prozesskosten im Streitfall tatsächlich gerechnet werden muss. Der zunächst juristisch nicht beratene Abgemahnte lässt sich hingegen durch die Aussicht, exorbitant hohe Beträge für die Rechtsverteidigung einer wirtschaftlich auf ihn nicht besonders bedeutsamen Angelegenheit aufwenden zu müssen, vielfach von vornherein von einer Rechtsverteidigung abhalten. Hierauf zielt die hier streitgegenständliche Abmahnung ab. Der der Abmahnung zugrunde gelegte Gegenstandswert ist von dem tatsächlich angemessenen Streitwert offensichtlich so weit entfernt, dass hieraus nur der Schluss gezogen werden kann, dass der Angabe dieses Gegenstandswertes in der Abmahnung die vorgenannten missbräuchlichen Beweggründe zugrunde liegen.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass auch die gerichtliche Wertfestsetzungspraxis keineswegs immer ganz einheitlich ist und durchaus eine erhebliche Bandbreite bei vergleichbaren Sachverhalten aufweist. Ausgangspunkt der Wertfestsetzung ist dabei aber stets das wirtschaftliche Interesse des Gläubigers  an den geltend gemachten Ansprüchen. Hiervon ist die Wertangabe in der Abmahnung nach dem Parteivorbringen im Widerspruchsverfahren so weit entfernt, dass daraus nur auf eine missbräuchliche Vorgehensweise geschlossen werden kann.

Die Antragstellerin hat trotz substantiierten Bestreitens einer relevanten aktuellen Nutzung der Klagmarke nicht näher dargelegt, in welchem Umfang diese derzeit genutzt wird. Auch wenn die Voraussetzungen für den Rechtsmissbrauch von Antragsgegnerseite darzulegen sind, trifft die Antragstellerin insoweit jedenfalls eine sekundäre Darlegungslast, da Angaben zum konkreten Nutzungsumfang der Klagmarke naheliegenderweise nur ihr möglich und zumutbar sind.

Hinzu kommt, dass die hier in Rede stehende Verletzungshandlung gem. Anlage E 3 von eher untergeordneter Bedeutung ist. Es handelt sich hier um die Werbung eines Internet-Händlers ohne erkennbare größere Außenwirkung für ein einzelnes Computer-Zubehörteil, bei der die Klagmarke auch keinesfalls in identischer Weise verwendet, sondern allenfalls ein noch verwechslungsfähiges Zeichen genutzt wird.

Ferner mindert es das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin, dass sie nach dem zugrunde liegenden Lizenzvertrag gem. Anlage E 14 vorläufig nur bis zum 31.12.2010 hinsichtlich der Klagmarke nutzungsberechtigt ist und eine Verlängerung des Vertrages bis dato nicht dargelegt ist.

Vor diesem Hintergrund kann die Antragstellerin nicht ernsthaft davon ausgegangen sein, sie könne das wirtschaftliche Interesse an den mit Abmahnung geltend gemachten Ansprüchen (auf Unterlassung, Schadenersatz pp.) auch nur annähernd angemessen mit 300.000,00,- € bemessen. Angemessen ist allenfalls ein Zehntel dieses Betrages.

In diesem Zusammenhang steht es dem Missbrauchseinwand auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin den Gegenstandswert des im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Unterlassungsanspruches in der Antragsschrift mit 100.000,- € angegeben hat und dieser Betrag vom Gericht auch festgesetzt worden ist. Denn abgesehen von der Fortwirkung des bei der Abmahnung zutrage getretenen Missbrauches beruht die Wertangabe in der Antragsschrift, wie der Antragstellervertreter in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, auf entsprechenden Wertfestsetzungen in Parallelverfahren. Die gerichtliche Wertfestsetzung im Beschluss v. 30.08.2010 ist dabei noch ohne Berücksichtigung des im Widerspruchsverfahrens zutage getretenen Sachverhalts hinsichtlich des allenfalls geringen Nutzungsumfanges der Klagmarke erfolgt.

Die Zugrundelegung einer 1,8-Gebühr für den vorliegenden nicht mehr als durchschnittlich schwierigen Markenrechtsfall sowie der geforderte Schadensersatz in Höhe eines Lizenzsatzes mit einem Aufschlag von 100 % auf den üblichen Lizenzierungssatz runden das Bild einer missbräuchlichen Abmahnung zusätzlich ab.

Die Antragstellerin hat zudem nicht glaubhaft gemacht, dass sie zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Unterlassungansprüche befugt ist. Nach § 30 Abs. 3 des Markengesetzes bedarf die Antragstellerin als Lizenznehmerin hierfür der Zustimmung des Markeninhabers. Eine solche Zustimmung wird in der eidesstattlichen Versicherung gemäß Anlage E 2 zwar behauptet, jedoch nicht näher dargelegt. Der auf das Bestreiten der Berechtigung durch den Widerspruch seitens der Antragstellerin vorgelegte Lizenzvertrag gemäß Anlage E 14 enthält die in der eidesstattlichen Versicherung behauptete ausdrückliche Berechtigung und Verpflichtung zur Geltendmachung von Überlassungsansprüchen gegen Verletzer hingegen nicht, abgesehen davon, dass eine Verlängerung über den 31.12.2010 hinaus nicht dargelegt ist.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO. Der Gegenstandswert ist entsprechend der im Widerspruchsverfahren zutrage getretenen geringeren wirtschaftlichen Bedeutung des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruches auf 20.000,00 Euro herabzusetzen.

Derart deutliche Worte findet man selten, noch seltener im Bereich des Markenrechtes und mehr als selten vom Landgericht Hamburg. Wir können nur vermuten, dass die deutlichen Worte des Gerichtes auch mit der Person des Abmahners zusammenhängen, der uns ebenfalls bekannt ist.

Wir dürfen an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass – anders als im Wettbewerbsrecht – eine Kostennote eines Rechtsanwaltes im Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung mit einem hohen Streitwert noch nicht automatisch zum Rechtsmissbrauch führt. Gerade bei bekannten Marken sind  hohe Streitwerte durchaus üblich. Es muss schon vieles zusammenkommen, um in einem markenrechtlichen Rechtsstreit auf einen Streitwert von “nur” 20.000,00 Euro zu kommen.

Wie immer beim Rechtsmissbrauch kommt es auf die Gesamtheit der Indizien an.

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