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Informationen über Wertersatz in der Widerrufsbelehrung: Der EuGH, das amtliche Muster und das LG Düsseldorf

Nach der Muster-Widerrufsbelehrung bis zum 10.06.2010 wie auch in der neuen Widerrufsbelehrung ab dem 11.06.2010 bleibt die Frage des Wertersatzes für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme unklar.

Zum Hintergrund:

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 03.09.2009, Az.: C-489/07, entschieden, dass ein Wertersatz im Falle des Widerrufes – vereinfacht gesagt – für ein Ausprobieren der Ware nicht geltend gemacht werden kann.

Sowohl im Widerrufs-Muster des Gesetzgebers in der Fassung bis zum 10.06.2010 wie auch im neuen Muster ab dem 11.06.2010 gibt es im Rahmen der Information über die Widerrufsfolgen folgende Alternativen:

Wenn ein Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme geltend gemacht wird, lautet die Formulierung:

“Im Übrigen können Sie die Pflicht zum Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie Ihr Eigentum in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt.”

Wenn ein Wertersatz nicht geltend gemacht werden soll, wird statt dieses Satzes der Satz eingefügt:

“Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung müssen Sie keinen Wertersatz leisten.”

Unabhängig von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ist Hintergrund dieser unterschiedlichen Formulierungen, dass gemäß § 357 Abs. 3 BGB der Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung nur dann zu leisten ist, wenn in Textform (z. B. Email) auf diese Rechtsfolge hingewiesen wird. Die Frage, wann darauf hinzuweisen ist, ändert sich ab dem 11.06.2010.

Bereits aus dem Gesetz ergibt sich, dass bei Verwendung der einen bzw. der anderen Formulierung einmal ein Wertersatz geltend gemacht wird (erste Formulierung) oder auch nicht (zweite Formulierung).

LG Düsseldorf zum Widerrufsbelehrung-Muster in der Fassung bis zum 10.06.2010

Das Landgericht Düsseldorf (LG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.05.2010, Az.: 38 O 129/09) hatte sich mit der mehr als interessanten Frage befasst, ob die Formulierung “Im Übrigen können Sie die Pflicht zum Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie Ihr Eigentum in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt.” wettbewerbswidrig ist. Ausdrücklicher Gegenstand der Entscheidung war die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 03.09.2009.

Das Landgericht Düsseldorf hat die Verwendung der Muster-Belehrung hinsichtlich des Wertersatzes als nicht wettbewerbsrechtlich zu beanstanden angesehen.

In den Entscheidungsgründen heißt es:

Zutreffend weist allerdings die Klägerin darauf hin, dass die konkret beanstandete Klausel “im Übrigen können Sie die Pflicht …” für sich betrachtet keine Konkretisierung einer die Erstattung von Nutzungen betreffenden Regelung darstellt. Der Satz beinhaltet lediglich einen Hinweis, wie nach Auffassung des Klauselverwenders eine Ersatzpflicht eindeutig zu vermeiden ist. Zudem erscheint es nicht abwegig, insoweit eine Unlauterkeit im wettbewerbsrechtlicnen Sinne schon deshalb zu verneinen, weil die Klägerin die vom Verordnungsgeber als Muster für eine Belehrung vorgegebene Fassung dieser Klausel verwendet. Grundsätzlich muss ein Marktteilnehmer nicht die Richtigkeit der in staatlichen Verordnungen geregelten Normen in Frage stellen.

Unabhängig hiervon scheidet aber ein Unterlassungsanspruch der von der Beklagten bezeichneten Art auch aus weiteren Gründen aus. So wird eine generelle Wertersatzpflicht für eine durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung der Sache dem Verbraucher schon nicht durch die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin auferlegt. Ausdrücklich heißt es in der Klausel zum einen, es sei “gegebenenfalls”, also nicht in jedem Fall, Wertersatz zu leisten. Zum anderen wird sodann ausgeführt, dass kein Wertersatz zu leisten ist, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung -wie sie etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre -zurückzuführen ist. Eine generelle Wertersatzpflicht wird hier demnach gerade nicht statuiert. Ein übliches Prüfungsverhalten dahingehend, ob der erworbene Gegenstand zum vertraglich vorgesehenen Zweck tauglich ist, löst auch dann keine Wertersatzpflicht aus, wenn hierbei Abnutzungseffekte entstehen.

Eine darüber hinaus gehende Einschränkung etwaiger Wertersatzpflichten wird auch nicht durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 3. September 2009 ausgesprochen. Dem Urteil ist letztlich zu entnehmen, dass für eine Nutzung der Ware während der Frist, innerhalb derer ein Widerruf noch erklärt werden kann, nicht generell Wertersatz für während dieser Zeit gezogene Nutzungen vom Verbraucher verlangt werden kann. Die von der Klägerin verwendete Musterklausel enthält jedoch keine derartige generelle Wertersatzregelung. Selbst eine Verschlechterung der Ware wird hingenommen, wenn sie auf einer Prüfung der Ware beruht. Deren Umfang wiederum richtet sich entsprechend Treu und Glauben, die auch nach der Auffassung des Europäischen Gerichtshofes zu beachten sind, nach den Einzelumständen, insbesondere der Art der Ware. Der nationale Gesetzgeber hat in Kenntnis der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes eine der bisherigen Musterfassung entsprechende Belehrung als Gesetz vorgesehen.

Wir halten diese Entscheidung für nicht richtig.  Soweit das LG Düsseldorf annimmt, dass dem EuGH-Urteil letztlich zu entnehmen sei, dass für eine Nutzung der Ware während der Widerrufsfrist nicht generell Wertersatz verlangt werden kann, das amtliche Muster keine derartige generelle Wertersatzregelung enthält, ist dies so nicht richtig. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus der amtlichen Musterformulierung, wenn kein Wertersatz geltend gemacht wird, der nach unserer Auffassung der aktuellen Rechtslage unter Berücksichtigung der EuGH-Entscheidung entspricht. Einzig passend, um nach unserer Ansicht dem EuGH-Urteil zu entsprechen, ist die Formulierung:

“Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung müssen Sie keinen Wertersatz  leisten.”

Sollte die Ansicht des LG Düsseldorf zutreffend sein, würde es zudem auch gar keinen Sinn machen, dass die Bundesregierung plant, das neue Widerrufsbelehrungs-Muster ab dem 11.06.2010 auf Grund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes schon wieder abzuändern und zwar durch das “Gesetz zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz beim Widerruf von Fernabsatzverträgen”. Wenn das amtliche Muster, sei es die jetzt aktuelle Verordnung oder das spätere Gesetz, nicht gegen die EuGH-Entscheidung verstoßen würde, gäbe es gar keinen gesetzgeberischen Bedarf.

Nicht ganz richtig ist zudem auch die Ansicht, bei Fehlern in der Widerrufsbelehrung in der jetzigen Fassung eine Unlauterbarkeit schon deshalb zu verneinen, weil das amtliche Belehrungs-Muster verwendet wird. Das Zitat “Grundsätzlich muss ein Marktteilnehmer nicht die Richtigkeit der in staatlichen Verordnungen geregelten Normen infrage stellen” aus dem Urteil ist mehr als zynisch, wenn man bedenkt, in wie vielen Punkten das Belehrungs-Muster in der Fassung bis zum 31.03.2008 deutschlandweit durch Gerichte als unwirksam und wettbewerbswidrig beurteilt wurde. Eine bekannte Entscheidung, die das Muster in der Fassung bis zum 31.03.2008 kippte, war der Beschluss des KG Berlin vom 05.12.2006.

Wir können jedenfalls für das alte Muster bis zum 10.06.2010 wie auch für das neue Muster ab dem 11.06.2010 nicht empfehlen, einen Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme geltend zu machen. Das Urteil des LG Düsseldorf ist eine Einzelfallentscheidung, die wir für nicht einmal zutreffend halten.

Stand: 28.05.2010

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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