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Wertersatz im Falle des Widerrufs kann bis zu 100 % des Kaufpreises betragen (AG Backnang)

Obwohl das Thema Wertersatz im Falle des Widerrufs in aller Munde ist, gibt es nur wenige Urteile, die sich mit dieser Problematik einmal intensiver auseinandergesetzt haben. In der Praxis scheint somit entweder das Wertersatzproblem keine so große Rolle zu spielen oder viele Internethändler zahlen zähneknirschend den gesamten Kaufpreis zurück, um Ärger mit Ihren Kunden oder negative Bewertungen beispielsweise bei eBay zu vermeiden.

Wenn ein Produkt, nachdem der Verbraucher es ausprobiert hat, beispielsweise aus hygienischen oder anderen Gründen im Falle des Widerrufs nicht mehr verwendet werden kann, kann der Wertersatz, den der Internetverkäufer geltend machen kann, nach unserer Auffassung bis zu 100 % betragen. Dies hat zur Folge, dass der Verbraucher bis auf gegebenenfalls die Rücksendekosten kein Geld zurückerhält.

Diese Ansicht hat nunmehr das Amtsgericht Backnang mit Urteil vom 17.06.2009, Aktenzeichen 4 C 810/08 bestätigt (Quelle: Shopbetreiber-blog.de). Ein Verbraucher hatte einen elektrischen Rasierer für ca. 50,00 Euro bestellt und das Gerät benutzt. Es wurden im Rasierer zahlreiche Bartstoppeln festgestellt. Der Rasierer roch nach abgestandenem Wasser und Schimmel. Der Verkäufer verweigerte die Rückzahlung des Kaufpreises.

Putziger Weise hatte das Gericht den Rasierer durch die sogenannte “Inaugenscheinnahme” in der Verhandlung geprüft. Die objektive und unbestechliche Nase des Richters ergab, dass der Scherkopf des Rasierers tatsächlich “etwas modrig” roch.

Ein Weiterverkauf des Rasierers war dadurch ausgeschlossen, ein wirtschaftlicher Wert nicht mehr vorhanden. Es heißt insofern zutreffend in der Entscheidung “Da der Rasierer durch die Ingebrauchnahme wertlos für die Beklagte geworden ist, entspricht der vom Kläger gemäß § 357 Abs. 3 BGB zu leistende Wertersatz dem Wert des Rasierers, mithin 49,80 Euro.” Der Internethändler hatte nur noch die Rücksendekosten zu tragen, da der Wert der zurückzusendenden Ware oberhalb von 40,00 Euro lag.

Die Entscheidung ist richtig. Nicht umsonst heißt es in der Muster-Widerrufsbelehrung, dass der Verbraucher einen Wertersatz vermeiden kann, wenn er die Ware nur so prüft, wie es ihm auch im Ladengeschäft möglich gewesen wäre. Auch dort wird Mann keine Proberasur unternehmen.

Die aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zum Wertersatz im Falle des Widerrufes dürfte im Übrigen an dieser Entscheidung, die vor dem Urteil getroffen wurde, nichts ändern. Wenn ein schimmliges Gerät zurückgegeben wird, was überhaupt keinen wirtschaftlichen Wert mehr hat, dürfte dies gegen Treu und Glauben verstoßen. Eine gewisse Rücksichtnahmepflicht wird man auch einem Verbraucher auferlegen können.

Es gibt noch viele weitere klassische Beispiele, auf die das Urteil Anwendung finden könnte. Der klassische Fall, der immer wieder als Beispiel herangezogen wird, ist die benutzte Friteuse. Wie es bei getragener Unterwäsche oder angebrochenen Lebensmittel- oder Kosmetikverpackungen aussieht, steht jedoch wieder auf einem anderen Blatt.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Johannes Richard, Rostock

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